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Für Außenstehende wirkt Polyamorie erst einmal bizarr

Die Scheidungsraten tendieren in den modernen Gesellschaften des Westens fast überall gegen 50 Prozent. Einer der Hauptgründe für das Aus einer Ehe ist die Untreue. Während das für viele ein unverzeihlicher Bruch des Vertrauens ist, sehen immer mehr Menschen im „Zweigleisig-Fahren“ allerdings keinen Grund zur Trennung. Im Gegenteil, sie lösen sich von der Vorstellung der romantischen Zweierbeziehung und machen „Untreue“ zur Normalität. Die Definition von Beziehung ist dabei sehr unterschiedlich. Die einen öffnen sich für die Sexualität mit Dritten, die anderen wenden sich der Polyamorie zu. Letzteres bezeichnet ein Beziehungskonzept, in dem mehrere Beziehungen parallel geführt werden können. Vor nicht allzu langer Zeit sahen Beziehungen noch ganz anders aus. Meist war die Frau vom Mann stark abhängig – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich.

In den USA ist Polyamorie bereits zu einer Bewegung geworden

Der Psychotherapeut und Psychoanalytiker Anton Tölk sieht in der Emanzipation den entscheidenden Wandel: „Es gab auch damals schon den Ehebruch, nur wurde das heimlich praktiziert, weil es von der Gesellschaft nicht toleriert wurde. Männer hatten es hierbei noch etwas leichter als Frauen, für die Untreue bis zum gesellschaftlichen Absturz führen konnte. Heutzutage ist zum Glück alles offener.“ Während es in unseren Breitengraden eher ein Randthema ist, ist Polyamorie in den USA bereits zu einer Bewegung geworden, in der sich Tausende von Menschen vernetzen.

Für Außenstehende wirkt Polyamorie erst einmal bizarr. Der Gedanke dahinter ist jedoch schlüssig: Die meisten Menschen erwartet in der Regel zu viel von nur einer Person: Geborgenheit, Familiensinn, spektakulären Sex und Abenteuer – all diese Anforderungen können bei manchen zu einer heillosen Überforderung führen. Die Partnersuche stellt sich in Polybeziehungen schwieriger dar, so Anton Tölk: „Jemanden zu finden, die gleichen Vorstellungen hat, ist sehr schwer. Meist ist immer einer dabei, der eifersüchtiger ist als der andere.“

Alternative Beziehungsmodelle werden mit Skepsis und Neugier betrachtet

Anton Tölk fährt fort: „Für kurze Zeit kann es funktionieren, aber selbst Beispiele aus der Geschichte, wie etwa Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, haben die Probleme aufgezeigt. Man muss hier hinterfragen, ob das wirklich polyamoröse Beziehungen sind oder ob sich jemand aufgrund seiner narzisstischen Struktur seiner Persönlichkeit mehr herausnimmt. Für den oder die Partner kann das dann sehr belastend werden.“ In einer Gesellschaft, in der die monogame Zweisamkeit offiziell die Norm ist, werden alternative Beziehungsmodelle häufig mit Skepsis, aber durchaus mit Neugier betrachtet.

Das A und O einer jeden Beziehung ist die Kommunikation, das ist wohl eine allgemein akzeptierte Weisheit. Wenn es nun nicht nur um zwei Personen, sondern um drei oder mehr geht, dann wird die Sache unweigerlich komplizierter. Daneben hängt das Thema Eifersucht bei vielen wie ein Damoklesschwert über der Beziehung. Unabhängig von der Beziehungsform, ob monogam oder nicht, ist es harte Arbeit, sich von diesen negativen Gefühlen zu lösen, auch wenn sich dahinter auch tatsächlich etwas Ähnliches wie Besitzdenken verbirgt. Quelle: moments – Das Magazin für die schönsten Augenblicke

Von Hans Klumbies

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