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Die Authentizität besitzt einen hohen Wert

Die Anfänge des neuzeitlichen Begriffs der Identität bildeten sich erst heraus, als sich Gesellschaften vor ein paar Jahrhunderten zu modernisieren begannen. Er entstand in Europa, griff in der Folge jedoch auf praktisch alle Gesellschaften der Erde über und schlug in ihnen Wurzeln. Francis Fukuyama erklärt: „Die Fundamente der Identität wurden durch die Wahrnehmung gelegt, dass eine Trennung zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Menschen besteht.“ Menschen gelangten zu der Überzeugung, dass sich in ihnen eine wahre oder authentische Identität verbirgt, die von der Rolle abweicht, welche die Gesellschaft ihnen zuweist. Der moderne Begriff der Identität räumt der Authentizität, das heißt der Bestätigung jenes inneren Wesens, das unterdrückt wird, einen hohen Wert ein. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

Martin Luther revolutionierte die Theologie

Häufig mag ein Individuum nicht wissen, was sein inneres Selbst wirklich ausmacht, es hat nur das vage Gefühl, dass es genötigt wird, eine Lüge zu leben. Dies kann zu einer zwanghaften Beschäftigung mit der Frage „Wer bin ich denn eigentlich?“ führen. Die Suchen nach einer Antwort erzeugt Entfremdung und Besorgnis, die sich erst abschwächen, wenn man das innere Selbst akzeptiert und es öffentlich anerkannt wird. Und wenn die Umgebung das innere Selbst hinreichend schätzen kann, muss man davon ausgehen, dass die Gesellschaft ihrerseits in der Lage ist, sich radikal zu ändern.

Im Westen wurde die Idee der Identität in gewissem Sinne während der Reformation geboren. Der Augustinermönch Martin Luther verlieh ihr als Erster Ausdruck. Er absolvierte ein traditionelles Theologiestudium und wurde Professor in Wittenberg, wo er zehn Jahre lang Vorlesungen hielt, nachdachte und mit seinem inneren Selbst rang. Laut einem Historiker war Martin Luther „in einem Zustand der Verzweiflung vor Gott“ und „revolutionierte […] die Theologie.“

Martin Luther thematisierte das innere Selbst

Martin Luther wandte sich den von der katholischen Kirche empfohlenen Maßnahmen der Kasteiung zu, doch er sah ein, dass er Gott nicht bestechen, beschwatzen oder anflehen konnte. Ihm wurde bewusst, dass die Kirche – durch Beichte, Buße, Almosen oder Heiligenverehrung – lediglich auf die äußere Person einwirkte. All das sei jedoch belanglos, da Barmherzigkeit nur durch die ungezwungene Liebe Gottes verliehen werde. Martin Luther war einer der ersten westlichen Denker, die das innere Selbst thematisierten und es höher einstuften als das äußere soziale Wesen.

Er legte dar, dass der Mensch „von zweierlei Natur ist, von [innerer] geistiger und [äußerer] leiblicher“. Es sei „offensichtlich, dass kein äußerliches Ding ihn frei und recht machen kann“, denn nur der innere Mensch könne erneuert werden.“ Das heißt: Der Glaube, in dem kurz un knapp „die Erfüllung aller Gebote“ besteht, wird alle diejenigen, die ihn haben, im Überfluss rechtfertigen, so dass sie nichts mehr brauchen, um gerecht und gut zu sein. Quelle: „Identität“ von Francis Fukuyama

Von Hans Klumbies

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