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Der Ausdruck ist an das Gefühl gekoppelt

Die Beziehung zwischen einem Gefühl und dem Minenspiel einen Menschen ist alles andere als eine Einbahnstraße. Vielmehr wirkt der Ausdruck einer Emotion immer auch auf den Organismus zurück und verstärkt die zum Ausdruck gebrachte Empfindung. Schon Charles Darwin hat dieses Phänomen beobachtet und in seinem Werk „Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren“ beschrieben: „Wer seiner Wuth durch heftige Gebärden nachgibt, wird sie nur vergrößern.“ Tatsächlich kann das laut Ulrich Schnabel jeder an sich selbst studieren: „Wer eine ängstliche Mine aufsetzt, verstärkt seine Angst, wer hingegen durch breites Lächeln eine frohe Stimmung zum Ausdruck bringt, fühlt sich prompt noch fröhlicher.“ Diese rückwirkende Koppelung von Ausdruck und dazugehörigem Gefühl funktioniert sogar dann, wenn man die entsprechenden Verhaltensweisen nur vorspielt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

Immer mehr unsichtbare Gefahren bedrohen den Menschen

Wann immer Menschen unbewusst und automatisch den emotionalen Ausdruck eines Mitmenschen imitieren, spüren sie selbst zumindest schwache Reflexionen jener Gefühle, die den anderen umtreibt. Ulrich Schnabel erklärt: „Auf diese Weise können wir uns geradewegs in die Gefühlslandschaft eines Mitmenschen hineinversetzen und ihn gewissermaßen von innen her kennenlernen.“ Die Psychologin Elaine Hatfield bestätigt dies: „Oft lernen wir darüber mehr, wenn wir uns hin und wieder auf unsere eigenen Gefühle und Stimmungen konzentrieren, die während einer sozialen Interaktion aufsteigen.“

Die moderne Welt stellt nicht nur völlig veränderte Anforderungen an Politik und Ökonomie, sondern auch an das Gefühlsleben des Einzelnen. Ulrich Schnabel erläutert: „Es geht weniger darum, sicht- und greifbare Katastrophen und Schicksalsschläge zu bewältigen, sondern wir müssen uns vor allem mit unsichtbaren oder imaginären Gefahren auseinandersetzen, die kaum fassbar scheinen.“ Wird das menschliche Gehirn mit Informationen überlastet, leidet zugleich die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren und zu steuern.

Unverarbeitete Emotionen führen zu Gleichgültigkeit

Nicht jeder reagiert auf eine emotionale Überforderung mit Aggressivität nach außen. Bei manchen wendet sich der Impuls auch nach innen und führt zu Angst, Besorgnis oder depressiven Symptomen. Ulrich Schnabel ergänzt: „Auf Dauer aber, und das ist vielleicht die verheerendste Folge all dieser unverarbeiteten Emotionen, stellt sich eine Art emotionaler Abstumpfung ein, eine Gleichgültigkeit gegenüber all den Leiden der Welt, die man ohnehin nicht lindern zu können glaubt.“ Aus psychologischer Sicht ist diese Gleichgültigkeit sogar verständlich.

Sie ist eine Schutzreaktion gegen eine emotionale Reizüberflutung, die den Einzelnen sonst überfordern und möglicherweise krank machen würde. Aus gesellschaftlicher Sicht allerdings ist diese Gleichgültigkeit fatal. Denn je mehr Menschen davon erfasst werden, umso größer wird das Gefühl der allgemeinen Hilflosigkeit und Passivität, das zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird: „Wenn niemand etwas wagt, tut sich tatsächlich nichts. So bleiben selbst jene Probleme bestehen, die man durchaus lösen könnte.“ Quelle: „Was kostet ein Lächeln?“ von Ulrich Schnabel

Von Hans Klumbies

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