Allgemein 

Die Erziehung ist weit mehr Schicksal als die Vererbung

Ein guter Gradmesser für den stabilisierenden oder desintegrierenden Einfluss auf die Entwicklung einer Persönlichkeit, den ein gegebener sozialer Bereich ausübt, ist laut Alexander Mitscherlich die Rolle, die Kriminalität, Perversion und erlebnisbedingte Krankheiten in ihm spielen. Der Einfluss ungünstiger Bedingungen eines Milieus vertiefen und befeuern seiner Meinung nach die asozialen Neigungen der Betroffen. Einem solchen Individuum gelingt niemals die Integration der sexuellen wie vor allem auch aggressiven Impulse unter die Kontrollinstanzen eines Sozialgewissens und eines individuellen, kritikfähigen Ichs. Alexander Mitscherlich betont den bedeutenden Einfluss des Milieus, wie er damit ein Bündel von Faktoren anspricht, auf das man einwirken und verändern kann. Wie sehr der Mensch ein primäres Sozialwesen ist, wird einem erst klar, wenn man sich daran erinnert, dass der Mensch in einem hohen Grade der Unreife geboren wird.

Jede Epoche versucht ein eigenes Erziehungssystem zu entwerfen

Alexander Mitscherlich vertritt die These, dass jede Epoche versucht, aufgrund ihrer Interpretation der Welt ein System von Werten und damit auch ein Erziehungssystem zu entwerfen und zu verwirklichen. Alexander Mitscherlich verlangt dabei die Anwendung von wissenschaftlichen Einsichten auf diese pragmatische Gestaltung der menschlichen Umwelt. Denn die Erkenntnisse der Wissenschaft sind Lernerfahrungen auf der jeweils erreichten vorgeschobensten Position des kritischen Bewusstseins.

Unfrieden ist immer noch besser als Friedhofsruhe

Eine Gesellschaft, die ihre Ordnung nur noch durch eine kritische Intelligenz aufrechterhalten kann, muss ihren wissenschaftlichen Einsichten Respekt verschaffen. Der Begriff des Sozialismus ist laut Alexander Mitscherlich bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Deshalb besteht die Aufgabe, ihn am konkreten Sachverhalt und durch diesen neu zu profilieren. Seine Voraussetzungen oder seine ideengeschichtlichen Wurzeln sind keineswegs abgestorben. Der Sozialismus entstammt dem aufklärerischen Humar mit dem Etikett der „Flachheit“ behafteten Geistesrichtung. Wer sich ihr bedient, wird allerdings schnell erkennen, in welchen Maße sich die Unterwürfigkeit unter die Obrigkeit in Deutschland durchgesetzt hat.

Kurzbiographie: Alexander Mitscherlich

Der Arzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller Alexander Mitscherlich, geboren am 20. September 1908 in München, leitete von 1960 bis 1976 das von ihm gegründete Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main. Im Jahr 1969 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zu seinen Hauptwerken zählen: „Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft“, „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“, „Die Unfähigkeit zu trauern“ sowie „Die Idee des Friedens“. Alexander Mitscherlich starb am 26. Juni 1982 in Frankfurt am Main.

Von Hans Klumbies

Related posts

Leave a Comment