Carl Gustav Jung liebte die Natur
Lucy F. Jones schreibt: „Die Idee, dass wir uns von der Natur abgenabelt, vom Land entwurzelt, Mutter Naturs Nabelschnur durchrissen haben und unsere Psyche nun die Folgen zu spüren bekommt, gehört in der Psychologie nicht gerade zum typischen zeitgenössischen Diskurs.“ Carl Gustav Jung, der Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker, ist am besten für seine Theorie zu Archetypen bekannt: die allgemeingültigen, primitiven, uns ureigenen Muster und Tendenzen in unserem kollektiven Unbewussten, die unser Verhalten, unsere Gedanken und unser Bewusstsein prägen. Carl Gustav Jung war ein großer Naturliebhaber. Sein Revier waren die dichten Fichtenwälder im Schwarzwald, die Alpengipfel Italiens, die tiefen Rheinschluchten und die Höhenkämme des Jura-Gebirges. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.
Carl Gustav Jung verglich die menschliche Psyche mit einem Haus
Wälder, so schrieb Carl Gustav Jung, brächten ihn der Bedeutsamkeit des Lebens und seiner erstaunlichen Abläufe am nächsten. Lucy F. Jones weiß: „Seine Schriften zur Beziehung zwischen Mensch und Natur, zu unseren Ursprüngen, sind weniger bekannt. Er war davon überzeugt, dass eine gesunde Psyche Zeit in der Natur braucht.“ Im Jahr 1947 schrieb er an einen Kollegen: „Manchmal weiß ein Baum mehr, als in unseren Büchern steht.“ Auch sagte Jung, die „Erfahrung des Numinosen“ sei für Menschen mittleren Alters wichtiger als für junge Menschen, um diese zweite Lebenshälfte leichter zu durchschiffen.
Lucy F. Jones erläutert: „Das Wort „numinos“ stammt vom lateinische Wort „numen“ ab, was so viel bedeutet wie göttliche Macht, göttliches Wirken, Gottheit oder Göttlichkeit. Jung meinte damit eine Erfahrung spiritueller oder übernatürlicher Art.“ Carl Gustav Jung war der Ansicht, die Menschen hätten vergessen, dass sie Primaten sind und insofern den primitiven Schichten ihre Psyche Zugeständnisse machen müssten. Dies verdeutlichte er, indem er die menschliche Psyche mit einem Haus verglich.
Die menschliche Psyche hat ihren animalischen Charakter bewahrt
Man stelle sich ein Haus mit zwei Stockwerken vor. Der erste Stock stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde im 20. Jahrhundert teilweise renoviert. Lucy F. Jones fügt hinzu: „Im frühen 21. Jahrhundert wurde das Haus auf dem Dach um eine Loftwohnung erweitert. Das Erdgeschoss stammt aus dem 16., das Originalmauerwerk sogar aus dem 11. Jahrhundert. Den Keller gab es bereits zu römischen Zeiten, eine kühle Kammer mit staubigen Boden.“ Unter dem Keller befindet sich eine kleine Höhle mit diversen Werkzeugen und Schmuckstücken aus der Jungsteinzeit.
Darunter liegen Fossilien und Knochen von Flora und Fauna, einige davon ausgestorben. Das ist also die menschliche Psyche. Lucy F. Jones erklärt: „Wir leben im ersten Stock, vielleicht in der Softwohnung. Über das Erdgeschoss wissen wir wenig, über den unterirdischen Teil so gut wie gar nichts. Es ist uns völlig unbewusst, schrieb Jung.“ Doch obwohl diese unteren Stockwerke vergraben liegen, sind sie in der menschlichen Psyche immer noch lebendig. Das obere Stockwerk, wo die Menschen wohnen, wird von seinen Grundfesten beeinflusst, während die tieferen Schichten der menschliche Psyche ihren animalischen Charakter bewahrt haben. Quelle: „Die Wurzeln des Glücks“ von Lucy F. Jones
Von Hans Klumbies