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Kleinstkinder suchen Ungutes immer bei sich

Das Gehirn eines Kleinstkindes muss sogar die Ursache für Ungutes immer bei sich suchen. Manche Erwachsene fühlen sich quälend schuldig, sobald bestimmte, vielleicht traumatische Kindheitserinnerungen auftauchen. Oder sie folgen auch heute noch den mittlerweile veralteten Geboten aus jungen Jahren. Helga Kernstock-Redl weiß: „Kinder oder hochempathische Personen sind es auch, die sich für das Wohl und Verhalten anderer vorschnell verantwortlich fühlen, obwohl – objektiv betrachtet – wirklich keinerlei Einflussmöglichkeit oder Verpflichtung da ist.“ In diesen Bereich fällt außerdem jede Form der Kollektivschuld oder Sippenhaftung: das Gefühl von Mitschuld, allein durch Zugehhörigkeit zur gleichen Berufsgruppe, Firma, Familie, Altersgruppe, zum gleichen Geschlecht oder Kulturkreis. Als Mitglied eines Systems kann selbstverständlich reale Mitverantwortung bestehen, doch eben nur dann, wenn man etwas beeinflussen oder mitbestimmen kann oder ein anerkanntes Gesetz dazu verpflichtet. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.

Kinder sind ihren Eltern keine Rückzahlung schuldig

Manche Schuldgefühle entstehen wegen einer ungerechtfertigten Rückgabeverpflichtung. In diese Kategorie fallen zum Beispiel jene für Geschenke: Wer von den Genen, durch angeborene Fähigkeiten, durch Glück, Zufall oder einen Mentor begünstigt wurde, kann durchaus irrationale Schuldgefühle haben: „Ich habe das doch nicht verdient.“ Hat man ein Geschenk bekommen beziehungsweise angenommen, muss man keine Verantwortung für das Verhalten des Schenkenden übernehmen und ist daher nichts schuldig.

Helga Kernstock-Redl erklärt: „Aufgezwungenes oder Vorgetäuschtes zählt nicht, denn man hatte keine echte Wahlmöglichkeit. Kinder sind ihren Eltern grundsätzlich keine Rückzahlung schuldig, denn es ist ihr verbrieftes Recht, gut versorgt zu werden.“ Erwachsene leben verschiedene Beziehungsformen, doch im Prinzip ist eine gewisse Balance im Geben und Nehmen wohl schon günstig, denn bei aller Liebe: Niemand soll sich auf Dauer ausnutzen lassen oder andere ausnutzen dürfen.

Es gibt eindeutig „falsche“ Gefühle

Das Gehirn ist unglaublich erfinderisch, sobald es darum geht, Menschen mit Schuldgefühlen zu versorgen. Als ob es nichts anderes zu tun hätte – was ja schließlich teilweise sogar stimmt. Spätestens dann, wenn sich Menschen schuldig fühlen, obwohl klar weder ein Fehler gemacht wurde noch Schaden entstanden ist, zeigt das: Es gibt eindeutig „falsche“ Gefühle. Produziert werden sie meist entweder durch die üble Frage: „Was hätte da nicht alles passieren können?“ samt lebendig-bildhafter Katastrophenfantasie.

Manche Personen fühlen sich schuldig, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, keine Superkräfte gehabt, kein perfektes Gedächtnis oder nicht übermenschlich rasch reagiert zu haben. Helga Kernstock-Redl fügt hinzu: „Sie hadern mit sich, weil sie vor Jahren ohne echte Wahl eine Entscheidung getroffen haben, die ihnen selbst oder anderen heute noch Schaden verursacht.“ Zusätzlich werden die „nicht gelebten Leben“ in der Regel idealisiert – was leicht möglich ist, denn es gibt de facto keinen Gegenbeweis, der es mit diesem perfekten Produkt reiner Fantasie aufnehmen kann. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl

Von Hans Klumbies

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