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Ton Lemaire erforscht die Leidenschaft

Nicht nur die Zärtlichkeit beherrscht laut Ton Lemaire die liebevolle Beziehung zwischen zwei Menschen, es ist genauso die Leidenschaft. Leidenschaft ist für ihn durch ein gewisses Ungestüm, eine starke Dynamik und sogar durch eine Art Aggressivität gekennzeichnet. Die Leidenschaft strebt nach der totalen Berührung, einem Aufgehen in dem anderen, einem sich verlieren in dem Geliebten. Der holländische Anthropologe und Philosoph Ton Lemaire beschreibt die leidenschaftliche Liebkosung als keineswegs sanft und vorsichtig, sondern als fast hart und schmerzlich.

Die Leidenschaft sucht den Rausch der Einheit

Sie ist ein wilder und unbeherrschter Strom von Bewegungen – ein Wahnsinn der Haut. Die Leidenschaft will den kleinen Abstand der Zärtlichkeit überwinden. Sie sucht wesentlich die Verschmelzung ihrer selbst mit dem anderen, sie sucht den Rausch der Einheit, die die ursprüngliche Zweiheit aufhebt. Die Leidenschaft sucht per se den Rausch, das außer sich selbst sein, die Ekstase eines erweiterten Selbst.

Die Leidenschaft läuft auf die Ekstase des Koitus hinaus

Die Leidenschaft hat laut Ton Lemaire immer auch Anteile der Gewalttätigkeit und der Aggressivität. Ihre Gewalt ist geradezu der Sieg der Aktivität über die Kontemplation der melancholischen Zärtlichkeit. Sie gibt sich nicht mit der Ohnmächtigkeit der Zärtlichkeit zufrieden, sondern will das Äußerste verwirklichen – die totale Wiedergeburt des anderen und seiner selbst in einer totalen Kommunikation. Die höchste Form der Leidenschaft ist die authentische Leidenschaft, die der Unendlichkeit der Geliebten die eigene Unendlichkeit schenkt.

Die Leidenschaft läuft für Ton Lemaire, ihrem wesentlichen Antrieb folgend, auf die Ekstase des Koitus hinaus. Der Koitus ist für ihn die totale Berührung, in der zwei unendliche Selbst in eine neue Unendlichkeit eingehen. Die Absolutheit dieser Berührung, das Ausleben dieser neuen Unendlichkeit geschieht im Rausch.
Ton Lemaire ist davon überzeugt, dass zwei Liebende in der Ekstase des Koitus die Erweiterung ihres unendlichen Selbst erleben, bis es auch den anderen umfasst. In der Einswerdung wird somit das Einzelbewusstsein aufgehoben.

Von Hans Klumbies

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