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Säuglinge besitzen sehr unterschiedliche Temperamente

Schon immer haben Eltern gewusst, dass ihre Kinder sehr unterschiedliche Temperamente besitzen, die sich bald nach der Geburt manifestieren. Walter Mischel erklärt: „Kinder kommen mit physiologischen Unterschieden in ihrer emotionalen Reaktionsfähigkeit, ihrem Aktivitätsniveau und der Fähigkeit, ihre Aufmerksamkeit zu steuern und zu regulieren, auf die Welt.“ Auch wenn diese Unterschiede genetisch „vorprogrammiert“ sind, wurden sie bis zur Geburt schon viele Monate durch die uterine Umgebung weiter ausgeformt. Diese Unterschiede beeinflussen erheblich ihr Fühlen, Denken und Handeln und prägen ihre Persönlichkeit – auch ihre Fähigkeit zur Selbstkontrolle und zum Belohnungsaufschub. Es dürfte kaum eine Neuigkeit sein, dass die meisten Säuglinge geradezu ein Bündel von Emotionen sind. Da gibt es zum Beispiel sehr aktive, die viel lächeln und lachen und schon früh im Leben intensive Freude zeigen. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

Babys unterscheiden sich in der Intensität ihrer Reaktionen

Andere Babys sind hochemotional, leicht erregt und neigen zu negativen Affekten; sie sind angespannt, reizbar und wütend, besonders wenn sie frustriert sind. Säuglinge sind auch unterschiedlich kontaktfreudig. Einige reagieren auf Fremde oder auch auf neues Spielzeug ängstlich, während wieder andere ganz versessen darauf zu sein scheinen, sich allem und jedem zu nähern. Einige fürchten sich nur selten, sind aber kaum zu trösten, wenn sie sich wirklich einmal ängstigen; andere befällt häufig eine leichte Furchtsamkeit, aber nur selten große Angst.

Säuglinge unterscheiden sich auch in ihrer Ausdrucksstärke beziehungsweise Intensität ihrer Reaktionen und in ihrer Schnelligkeit. Manche schlafen viel, andere sind zu jeder Tages- und Nachtzeit umtriebig und suchen Anschluss. Diese Unterschiede im Temperament zeigen sich nicht nur darin, wie aktiv, unbeschwert, glücklich, angespannt oder lebensfroh das Baby zu sein scheint. Sondern auch darin, wie häufig und wie lange die Eltern lachen, lächeln, mit ihrem Kind spielen und schlafen und wie viel Freude oder Erschöpfung und Verzweiflung sie empfinden.

Anlage und Umwelt lassen sich nicht leicht trennen

Walter Mischel erläutert: „Das emotionale Verhalten von Kindern wirkt sich stets auf das ihrer Bezugspersonen aus – und umgekehrt.“ Emotionale Dispositionen beeinflussen auch, wie gut, wie schnell und unter welchen Bedingungen es Kinder im Lauf ihrer Entwicklung gelingt, ihre Aufmerksamkeit zu regulieren, Belohnung aufzuschieben und Selbstkontrolle auszuüben. Bei den Persönlichkeitsmerkmalen wirken immer Erb- und Umweltfaktoren zusammen. Nach einer recht verlässlichen Schätzung aus der Zwillingsforschung lässt sich etwa ein Drittel bis die Hälfte sämtlicher Merkmale, die sich entwickeln, auf genetische Variationen zurückführen.

Aber je gründlicher Wissenschaftler die Vererbbarkeit von Merkmalen erforschen, umso deutlicher zeichnet sich ab, dass sich Anlage und Umwelt nicht so leicht voneinander trennen lassen. Walter Mischel stellt fest: „In den menschlichen Anlagen und Verhaltensmustern, einschließlich Charakter und Persönlichkeit, Einstellungen und politischen Überzeugungen, spiegeln sich die komplexen Effekten von Genen wider, die das gesamte Leben hindurch maßgeblich von Umweltfaktoren beeinflusst werden. In dem, wer wir sind und was wir werden, zeigt sich die komplexe Wechselwirkung zwischen genetischen und Umwelteinflüssen.“ „Der Marshmallow-Test“ von Walter Mischel

Von Hans Klumbies

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