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Demütigungen verursachen psychisches Leid

Reinhard Haller weiß: „Demütigungen gehörten über Jahrhunderte zu den Kernmethoden der Erziehung, teilweise sind sie das heute noch.“ Bewusste Bloßstellungen, Beschämungen und Erniedrigungen wurden instrumentalisiert, um „den Willen des Kindes zu brechen“. Die in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs und staatlichen Institutionen verfassten Protokolle belegen, mit welcher Menschenverachtung und mit welch hohem Maß an Sadismus die Demütigungen systematisch angewendet wurden. Demütigungen lösen psychische Störungen aus, induzieren kriminelle Karrieren und können die Betroffenen aus geordneten Bahnen hinausdrängen. In Japan, wo die Erziehung stark auf die Aufrechterhaltung der Ehre ausgerichtet ist, ergeben sich Demütigungen der Kinder durch narzisstische Wutanfälle der Erzieher. Deshalb so folgert die Psychoanalytikerin Ruth Benedict, dürfe man sich nicht wundern, dass in Japan Leute manchmal in höchst aggressiven Handlungen explodieren. Reinhard Haller ist Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen.

Kollektive Demütigung führt zu Feindschaft und Krieg

Klarer als manche psychologischen und pädagogischen Professionalisten hat die Macht der Demütigung der Physiker Albert Einstein erkannt, wenn er sagt: „Demütigung bzw. geistige Unterdrückung durch verständnislose und egozentrische Lehrer tut schweren, untilgbaren Schaden im kindlichen Gemüte, der gar oft das spätere Leben verhängnisvoll beeinflusst.“ Die Folgen für die Gedemütigten werden maßlos unterschätzt, vor allem die Tatsache, dass Betroffene eine Demütigung äußerst schwer vergeben können.

Zudem kann sie bei den Opfern gefährliche Reaktionen auslösen. Reinhard Haller erläutert: „Durch nichts wird die Scham-Wut-Spirale derart angestachelt wie durch Demütigungen, die schwersten Formen der Kränkung. Durch die Dynamik der Demütigung werden soziale Beziehungen zerrissen und jahrelange Auseinandersetzungen hervorgerufen.“ Gefühle individueller Demütigung sind Wurzeln von erweiterten Suiziden und erweiterten Tötungshandlungen, von Familientragödien und Terroranschlägen. Jene der kollektiven Demütigung führt zu Feindschaft und Krieg.

Demütigungen behindern Konfliktlösungen

Aus der Geschichte kann man lernen, das Gefühle der Demütigungen zu allen Zeiten und in den meisten Gesellschaften den zentralen Aspekt gewalttätiger Konflikte darstellen. Reinhard Haller betont: „Nichts behindert die Konfliktlösungen mehr als Demütigungen, wie man beispielsweise am endlosen Israel-Palästina-Konflikt oder anhand des syrischen Bürgerkriegs sieht.“ Individuelle und kollektive Erlebnisse der Demütigung können nur äußerst schwer vergeben werden. Die stärksten Gefühle der Demütigung kommen jedoch in jenen Opfern auf, die ihre Demütiger bewundern.

Wenn dann solche Opfer die Möglichkeit zur Rache für die erlittenen Kränkungen erhalten, wird diese oft mit besonderer Brutalität, bis hin zum Völkermord, durchgeführt. Reinhard Haller stellt fest: „Die innovativen Forschungen über Demütigung stellen das aus demütigender Erniedrigung resultierende Bedürfnis nach Uneinigkeit und Rache in den Mittelpunkt.“ Bei Verhandlungen muss vor allem das Gefühl der Demütigung beider Seiten in das Zentrum gerückt werden, ansonsten ist eine Vermittlung von vornherein aussichtslos. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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