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Neue Gewohnheiten lassen keine Ausnahme zu

Der amerikanische Psychologe William James schrieb im Jahr 1877 eine kurze Abhandlung mit dem Titel „Gewohnheit“. Darin heißt es: „Wenn man versucht, ein anständiges Leben zu führen, soll man sein Nervensystem zu seinem Verbündeten und nicht zu seinem Gegner machen. Es empfiehlt sich, bestimmte Gewohnheiten so tief in sich zu verankern, dass sie zu einem unwillkürlichen Instinkt werden.“ Wer eine neue Gewohnheit annehmen will, sollte dies mit größtmöglicher Entschlossenheit anpacken. Außerdem soll man den Beginn einer neuen Gewohnheit zu einem bedeutenden Ereignis in seinem Leben machen. Dann darf man keine Ausnahme machen, bis die Gewohnheit zu einem festen Bestandteil des Alltagslebens geworden ist. Denn ein kleiner Patzer macht viele edle Akte der Selbstbeherrschung zunichte. Anschließend soll man jede Gelegenheit nutzen, um die Gewohnheit zu schulen.

Der Charakter ist die Gesamtheit fest verankerter Dispositionen

William James vertrat zudem die Auffassung, dass man seine Selbstdisziplin jeden Tag auch ohne äußeren Anlass üben und dabei frei wählbare Regeln befolgen soll. William James erklärt: „Ein Asketentum dieser Art gleicht der Versicherung, die ein Mensch für sein Hab und Gut bezahlt. Die Steuer bringt ihm zurzeit nichts ein und wird sich vielleicht niemals bezahlt machen. Aber wenn ein Feuer ausbricht, wird ihn der Umstand, dass er sie bezahlt hat, vor dem Ruin retten. William James wollte Methoden aufzeigen, wie man seinem Charakter dauerhaft ein bestimmtes Gepräge geben kann.

Der Charakter ist für den amerikanischen Rechtsprofessor Anthony T. Kronman eine Gesamtheit fest verankerter Dispositionen – gewohnheitsmäßiger Gefühle und Begierden. Das ist eine weitgehende aristokratische Vorstellung. Wenn man nur moralisch gut handelt, wird man irgendwann zu einem guten Menschen. Wenn man sein Verhalten verändert, programmiert man über kurz oder lang sein Gehirn um. In der Kultur der Zeit, in der William James lebte, glaubten die Menschen auch, dass körperliche Arbeit eine gute Charakterschule sei.

Liebende wollen Opfer bringen

Glücklicherweise haben Menschen auch eine natürliche Neigung zur Liebe, die ebenfalls ein Werkzeug zur Bildung des Charakters ist. Die liebevolle Strategie zur Charakterbildung fußt auf der Vorstellung, dass man seinen Begierden zwar nicht immer widerstehen, sie aber dadurch verändern und neu ordnen kann, indem man sich auf seine höheren Liebesobjekte konzentriert. Dazu zählen beispielsweise die Liebe zu den Kindern, die Vaterlands- und Heimatliebe sowie die Liebe zu den Armen und Geknechteten.

Für diese Liebesobjekte Opfer zu bringen ist zutiefst befriedigend. Es fühlt sich gut an, seinen Liebsten zu dienen. Schenken wird zu freudigem Schenken, weil man unbedingt will, dass die Menschen, die man liebt, gedeihen und das Leben erfolgreich meistern. Wer liebt, will Opfer bringen, will das Leben als ein Geschenk an andere leben. Ein Mensch, der von solchen Gefühlen durchdrungen ist, wird etwas weniger anfällig für die Sünde sein. Die Sünde lässt sich am wirkungsvollsten dadurch bekämpfen, dass man ein gütiges, liebesvolles Leben führt. Quelle: „Charakter“ von David Brooks

Von Hans Klumbies

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