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Groll oder Hass führt zur Rache

Racheakte verüben Menschen aus aggressiven Emotionen unterschiedlicher Färbung und Intensität. Hans-Peter Nolting erklärt: „Man ist verärgert, ist wütend, ist empört, empfindet Groll oder gar unbändigen Hass – ausgelöst durch ein Verhalten, das der Rächer zumindest als Provokation, nicht selten aber als Demütigung und Kränkung auffasst.“ Das Selbstwertgefühl ist eine besonders empfindliche Stelle des menschlichen Seelenlebens. So sehr die Emotionen „im Bauch“ zu rumoren scheinen – der Kopf spielt hier eine entscheidende Rolle. Es kommt nämlich immer darauf an, wie man den auslösenden Anlass interpretiert, insbesondere, wie man ihn sich erklärt. In der Psychologie spricht man hier von Attribution. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

Der Ärger ist lediglich so etwas wie Verdruss

So empfindet man es zwar meist als „ärgerlich“, wenn man wegen eines Hindernisses ein Ziel nicht erreicht, doch sofern dies den Umständen zuzuschreiben ist, ist der Ärger lediglich so etwas wie Verdruss. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Viel aggressiver, vielleicht als richtige Wut, fühlt sich der Ärger hingegen meist an, wenn die Behinderung auf ein Fehlverhalten anderer Menschen zurückzuführen ist.“ Für aggressive Emotionen und aggressives Verhalten ist also nicht das Hindernis entscheidend, sondern der in der Interpretation enthaltene Vorwurf.

Sofern das Ärgernis auf unerfreuliches Verhalten zurückzuführen ist, kann man hier noch weiter differenzieren. Der Psychologe Ulrich Mees nennt drei Abstufungen: „(1) Das Fehlverhalten beruht auf Gedankenlosigkeit oder Fahrlässigkeit, das heißt, es wäre mit mehr Sorgfalt zu vermeiden gewesen. (2) Es beruht auf Rücksichtslosigkeit, was bedeutet: Die Schädigung war zwar nicht das eigentliche Ziel, wurde aber in Kauf genommen. (3) Das Verhalten beruht auf Böswilligkeit; das heißt, das Zufügen von Leid und Schaden war voller Absicht.“

Erinnerungen halten die Verachtung oder den Hass wach

Der Ärger der betroffenen Person ist gewöhnlich am mildesten, wenn sie glaubt, das Verhalten sei aus Versehen geschehen, aufgrund einer Demenz oder Psychose; ihr Ärger hingegen wird am schärfsten sein, wenn sie eine böse Absicht vermutet. Entsprechend unterschiedlich dürfte das Bedürfnis nach Rache sein. Wie wichtig die kognitiven Prozesse sind, zeigt sich auch daran, dass man seinen Ärger und sein Rachegefühl nachträglich verändern kann, wenn man für das Fehlverhalten einer anderen Person eine neue Erklärung bekommt.

Das Denken ist allerdings nicht nur für die Abkühlung von Emotionen zuständig. Auch das Zuschreiben böser Absichten ist ein Denkprozess, und solche Gedanken können ebenfalls nachträglich aufkommen. Ob sofort oder verzögert: Wer empört ist oder gar vor Hass brennt, der denkt; und vor allem dann, wenn Emotionen nicht nur momentan aufflackern, sondern andauern oder sich zu einer emotionalen Haltung verfestigen – zu Verachtung oder zu Hass –, dann spricht dies dafür, dass Erinnerungen und Grübeleien die feindseligen Gefühle wachhalten. Quelle: „Psychologie der Aggression“ von Hans-Peter Nolting

Von Hans Klumbies

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