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Das exzentrische Selbst spiegelt sich in anderen Menschen

Der Psychologe Martin Altmeyer schreibt: „Identität ist das seelische Hauptproblem unserer Zeit. Das individualisierte Ich strebt nach Selbstvergewisserung.“ Was der Frankfurter Soziologe und Psychologe Martin Dornes als postheroische Persönlichkeit bezeichnet, nennt Martin Altmeyer das „exzentrische Selbst“, ein neuer Sozialcharakter, der stärker denn je dazu neigt, sich anderen Menschen zu zeigen. Dabei geht es um mehr als gewöhnliche Eitelkeit. Martin Altmeyer erklärt: „Wer in dieser Welt unterwegs ist, tut das nicht als Einzelgänger, sondern sehnt sich nach einem sozialen Echo, möchte sich gespiegelt sehen. Er zeigt sich letzten Endes, um zu erfahren, was er kann, wer er ist und welche Bedeutung er für andere hat.“ Die mediale Selbstdarstellung ist quasi zu einer Art Existenzbeweis geworden. Die Identitätsformel der digitalen Modere lautet: Ich werde gesehen, also bin ich.

Das Unbewusste strebt nach Entdeckung

Das Modell von Martin Altmeyer erklärt auch, warum so viele Menschen kaum Sorgen um ihre Daten haben: „Auf der Suche danach, von anderen Menschen Aufmerksamkeit zu erfahren, wollen sie in den weltweiten Netzwerken eher gesellschaftliche Spuren hinterlassen als Spuren vermeiden. Sie haben deshalb weniger Angst davor, von der Gesellschaft überwacht, als von ihr übersehen zu werden.“ Das Unbewusste strebt nach Entdeckung. Es möchte von der Umwelt registriert, erkannt und aufgenommen werden.

Das Konzept des Narzissmus von Sigmund Freud wurzelt in der Vorstellung, dass der Säugling völlig auf sich selbst bezogen ist. Die moderne Forschung hat das widerlegt. Martin Altmeyer erläutert: „Bereits der Säugling sucht den Blick der Mutter, um in ihrem Gesicht eine erste Ahnung davon zu erhalten, wer er ist. Wenn er sie anlächelt, erlebt er im Spiegel ihrer Reaktionen etwas von sich.“ Das Verhalten Erwachsener in sozialen Netzwerken dockt an diese Urerfahrung an. Der Narzissmus ermuntert sie dazu, aus sich herauszugehen, sich darzustellen – und so eine Identität zu erwerben.

Einige Formen des Narzissmus sind gut und notwendig

Martin Altmeyer betont: „Selbstbewusstsein braucht Bestätigung. Identität wächst nicht im Stillen.“ Das ist das Schöne an dem Begriff Narzissmus: Er passt eigentlich immer. Mit kaum einer anderen Diagnose lässt sich so herrlich küchenpsychologisieren. Narzisstisches Verhalten ist weit verbreitet, wie die Antworten auf den Fragebogen „How I see myself“ zeigen, mit dem Forscher das Selbstwertgefühl erfassen: Die allermeisten Menschen halten sich für intelligenter und attraktiver als den Durchschnitt.

Sicher ist: Charismatische Persönlichkeiten, die sich für etwas Besonderes halten, leisten oft auch Besonderes. Der Psychologe Greg Malkin, Dozent an der Harvard Medical School, schreibt: „Narzissmus ist nicht immer nur negativ. Genau genommen sind einige Formen des Narzissmus gut, ja sogar notwendig, um ein glückliches und erfülltes Leben führen zu können.“ Wer sich für überdurchschnittlich hält, ist führungsstärker, was nicht unbedingt überrascht, aber er ist auch enthusiastischer, kreativer und damit anziehender als andere, er ist geselliger, glücklicher und häufig auch gesünder, er führt bessere Liebesbeziehungen. Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies

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