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Ein Suizid scheint oft so sinnlos

In Deutschland nehmen sich jedes Jahr fast 10.000 Menschen das Leben. Das sind mehr als 25 am Tag, 12 pro 100.000 Einwohner. Barbara Schmitz ergänzt: „Es sterben mehr Menschen durch Suizid als an Verkehrsunfällen, Gewalttaten, Drogen und HIV zusammen. In der Schweiz sind es 1.000 Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Hinzu kommen nochmals 1.000 durch assistierten Suizid.“ Weltweit gibt es 800.000 Suizidopfer pro Jahr. Statistiken der Schweiz zeigen, dass bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Suizid die häufigste Todesursache ist. Die Sterblichkeit durch Suizid ist pro 100.000 Einwohner am höchsten bei Menschen über 70, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

Suizide sind immer noch ein Tabuthema

Hinter den nackten Zahlen verbergen sich viele verschiedene Geschichten. Jede hat andere Hintergründe, in jeder spielen andere Umstände eine Rolle, in jeder spiegelt sich aber die Aussichtslosigkeit, die der Suizident empfindet. Barbara Schmitz fügt hinzu: „Und sehr oft stehen Hinterbliebene mit Fassungslosigkeit und verzweifelter Bestürzung der Tat gegenüber. Zu dem Verlust eines geliebten Menschen treten Unverständnis, Angst, Wut, Schuldvorwürfe, die das Trauern zu einem schmerzhaften, langwierigen Prozess machen können. Die Tat scheint oft so sinnlos.“

Verstärkt wird dieser Schmerz durch den Umstand, dass Suizide immer noch ein Tabuthema sind. Barbara Schmitz weiß: „So berichtete der Mediziner und ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention Hans Wedler von Eltern, die den Arzt bitten, auf dem Totenschein eine andere Todesursache zu vermerken als Selbstmord.“ Studien zeigen, dass Angehörigen von Suizidopfern weniger empathisch im Trauerprozess begegnet wird als andern.

Mit einem Suizid scheint etwas Unheimliches einherzugehen

Fast jeder Mensch kennt jemanden, der durch Suizid gestorben ist, und dennoch wagt kaum jemand das Thema anzusprechen. Barbara Schmitz erklärt: „Suizid ist noch immer mit einer großen Stigmatisierung verbunden, auch wenn die Zeiten, in denen der Verstorbene und seine Angehörigen geächtet wurden, vorbei sind.“ Wer vom Suizid erzählt, scheint einen Makel zu benennen. Es scheint, als ob mit dem Suizid etwas Unheimliches einhergeht, eine Niederlage, ein Versagen, eine diffuse Unzulänglichkeit derjenigen, die dem Toten nahestanden.

Suizid ist für die Zurückgebliebenen sehr oft mit Scham behaftet. Barbara Schmitz erläutert: „Genau diese Stigmatisierung macht es nicht nur den Hinterbliebenen schwer, über ihre Erfahrungen zu reden, sondern auch all den Menschen, die an einen Tod durch die eigene Hand denken.“ Und das sind nicht wenige. Eine Untersuchung der Schweizer Bevölkerung aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass 7,8 Prozent der Schweizer Bevölkerung in einem untersuchten Zeitraum von zwei Wochen Suizidgedanken haben. Quelle: „Was ist ein lebenswertes Leben?“ von Barbara Schmitz

Von Hans Klumbies

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