Emotionen haben große Macht über das Handeln der Menschen
Schon seit der Antike wurde in der Philosophie und Rhetorik über die Emotionen nachgedacht. Ihnen wurde große Macht über das Handeln der Menschen zugeschrieben. Die Affekte wurden vor allem als „passio animae“ und als „appetitus sensitivus“, als Leidenschaft und als sinnliches Strebevermögen der Seele aufgefasst. Seit der Antike bemüht man sich auch um eine Art ausdifferenzierter Nomenklatur. Von Aristoteles über Cicero, Thomas von Aquin bis hin zu Immanuel Kant finden sich Versuche der Bestimmung, der Hierarchisierung und der Ausdifferenzierung der Affekte. Das Wissen über die Emotionen dient der Selbstführung und der Herrschaft. Vor dem Jahr 1800 wurde eine kontinuierliche Diskussion über die Affekte geführt. Danach bricht zumindest das philosophische Interesse an Lehren über Affekte ab. Die Emotionen werden nun zu einem wichtigen Arbeitsgebiet der entstehenden Psychologie.
Das philosophische Denken wendet sich von den Affekten ab
In der Philosophie dagegen breitet sich das Vorurteil aus, die Affekte seien ein Thema von Literatur, Musik, Rhetorik, Kunst, Ästhetik und Moralistik und ihre Theorien seien schwach. Bis in die späten Jahre des 20. Jahrhunderts waren die Emotionen nicht gerade ein Kernbereich des philosophischen Denkens. Seither artikuliert sich neues Interesse vor allem in der sprachanalytischen Philosophie und in der phänomenologischen Forschung. Neben der Philosophie war es die Rhetorik als Disziplin der Schule, in der von Anfang an dem Affekt eine wichtige Funktion zuerkannt wurde.
Der große griechische Philosoph Aristoteles nennt in seiner „Rhetorik“ drei Arten des Glaubhaftmachens und des Überzeugens beim Redner: Verlässlichkeit des Redners (Ethos), emotionale Disponierung des Hörers (Pathos) und das Eingehen auf die Sprache (Pragma). Erst in der Frühaufklärung wurden die rhetorisch verstandenen Effekte aus der Schulrhetorik gelöst und als natürliche Eigenschaften verstanden. Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist ein Neuanfang in der Geschichte der neueren Rhetorik zu verzeichnen.
Die Affekte schließen die Herrschaft der Vernunft aus
Die Bezeichnung der Affekte geht auf die griechische Philosophie, Rhetorik und Medizin zurück. Zentral ist „pathos“ mit der umfassenden Bedeutung von Leidenschaft, Leid und Schmerz. Im spezifisch philosophischen Sinne bedeutet es den Zustand des Empfangens einer äußeren Einwirkung, allgemein Zustand oder Eigenschaft, Erleiden oder Zustand der Seele. Im Lateinischen wurde dafür der Begriff „affectus“ geprägt, das im Deutschen mit heftige Gemütsbewegung und Erregung wiedergegeben wird.
In der Affekttheorie der Stoiker überwog das negative Urteil und noch bei Immanuel Kant bedeutete, Affekten und Leidenschaften unterworfen zu sein „wohl immer Krankheit des Gemüts; weil beides die Herrschaft der Vernunft ausschließt“. Immanuel Kant unterscheidet Affekt und Leidenschaft. Ersterer sei „Überraschung durch Empfindung, wodurch die Fassung des Gemüts aufgehoben wird.“ Hingegen lasse sich die Leidenschaft Zeit „und ist überlegend, so heftig sie auch sein mag, um ihren Zweck zu erreichen“. Quelle: Handbuch Europäische Aufklärung von Heinz Thoma (Hrsg.)
Von Hans Klumbies