Ulrich Greiner stellt Strategien der Schamverbergung vor

Es versteht sich beinahe von selbst, dass die meisten Menschen unangenehme Gefühle fürchten. Mit dem Begriff Schamangst ist jedoch r so war. Ulrich Greiner erklärt: „Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte es zum Idealbild eines gebildeten und kultivierten Menschen, dass er seine Gefühle und damit seine Empfindsamkeit und Empfindungsfähigkeit zeigt.“ Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

Die Gesellschaft verlangt ein hohes Maß an Selbstverleugnung

Dass Frauen und wohlgemerkt auch Männer ihre Scham- und Schuldgefühle freimütig äußerten, dass sie erröteten oder gar weinten, gehörte damals zum erwünschten Verhalten. Dass junge Männer in der heutigen Zeit erröten, passiert allenfalls in der Pubertät und es erscheint der Gesellschaft nicht als eine ideale, sondern je nach Perspektive als eine komische oder peinliche Reaktion. Daran erkennt man unter anderem, dass die moderne Leistungsgesellschaft ein hohes Maß an Disziplin und Selbstverleugnung abverlangt.

Und dies passiert in einer Gesellschaft, in der die Chancen der Freiheit des Einzelnen vermutlich noch n abhängen, sondern in der Hauptsache von der Fähigkeit des Einzelnen, sich Kompetenz anzueignen, sich gut darzustellen und sich gegen die zahlreichen Konkurrenten durchzusetzen.

Die Scham für ein Ritual der Entlastung ist verschwunden

Sighard Neckel ergänzt: „Inmitten einer Kultur, die der Expressivität des Individuums so viel Raum wie keine andere geschaffen hat, wird Scham zum >heimlichen Rest< der Persönlichkeit, zu einer darstellungsunfähigen Empfindung, für die ein Ritual der Entlastung kaum mehr zur Verfügung steht.“ Laut Sighard Neckel besteht die angebliche Schamlosigkeit lediglich darin, die eigene Scham, die hr gezeigt werden darf, durch eine demonstrative Überbietung zu kaschieren. Sighard Neckel schreibt: „Die Schamlosigkeit im Verhalten [ … ] wird damit zum Schlüssel des Verständnisses der Schamangst, die das soziale Leben durchherrscht. In der Schamlosigkeit wird negativ demonstriert, wovor man sich positiv am meisten fürchtet: beschämbar zu sein.“ Nun sind diese Erkenntr danach, seinen Makel und sich selber zu verbergen. Was sie Scham intendiert, ist weder ihre Instanz zu sehen noch diese nicht zu sehen, sondern von ihr nicht gesehen zu werden.“ Von Hans Klumbies

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