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Beim Vertrauen handelt es sich um eine angeborene Neigung

Die Natur hat den Menschen mit Eigenschaften ausgestattet, um beurteilen zu können, wem er vertraut und mit wem er kooperieren kann. Dabei handelt es sich um ein Erbe der fernen stammesgeschichtlichen Vergangenheit, in der die Menschen einander die gefährlichsten Wesen waren. Diese Eigenschaften beziehen sich darauf, ob die anderen Menschen einem selbst ähneln oder nicht. In den letzten 50 Jahren wurden auch auf dem Feld der Sozialpsychologie zahllose Forschungen zum dem Themenbereich Eigengruppe versus Fremdgruppe und die Konsequenzen aus dieser Unterscheidung durchgeführt. John Bargh kennt die Ergebnisse: „Sie belegen, dass wir schon von sehr jungen Jahren an auf die Unterscheidung von Eigengruppe und Fremdgruppe eingestellt sind, was wiederum darauf schließen lässt, dass es sich um eine angeborene Neigung handelt.“ Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

Schon Babys geben Mitgliedern ihrer eigenen Gruppe den Vorzug

Sogar geringfügige Augenbewegungen von Säuglingen, die viel zu unschuldig sind, um böse Gedanken zu haben, weisen darauf hin, dass sie Mitgliedern ihrer eigenen Gruppe den Vorzug geben. Diese Präferenz hängt mit etwas zusammen, was John Bowlby auch bei Jungtieren festgestellt hat: Sie haben eine ausgeprägte allgemeine Veranlagung, jenen nahe zu bleiben, die ihnen ähnlich sind. Laut John Bowlby verhalten sich menschliche Wesen mehr oder weniger genauso.

Diese Präferenz für jene, die einem selbst ähnlich sind, ist mit Blick auf die evolutionäre Vergangenheit des Menschen sinnvoll. Vor langer Zeit, als die menschlichen Vorfahren als Jäger und Sammler in Stammesgemeinschaften lebten, trafen sie kaum jemals auf Fremde, und falls doch, konnte das zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Es ist daher verständlich, dass ein Erbe der menschlichen Evolution darin besteht, sich sicherer zu fühlen, wenn man mit Menschen zusammen ist, die einem vertraut erscheinen, und sich weniger sicher zu fühlen, wenn einem Menschen begegnen, die einem unvertraut sind.

Viele Menschen unterteilen ihre soziale Welt in „wir“ und „sie“

Und dies zeigt in eindrucksvoller Weise, wie weit die rasanten technologischen Fortschritte dem Schneckentempo der Evolution davongeeilt sind. Denn die sozialen Umwelten ähneln in keiner Weise mehr den Städten und Dörfern des Mittelalters oder noch früherer Epochen. John Bargh stellt fest: „Doc in uns stecken nach wie vor jene vor langer Zeit ausgebildeten Präferenzen für unsere eigene Gruppe und – in gewissem Maße – die Abneigung gegenüber Gruppen, die anders aussehen, klingen und handeln.“

Das ist ein trauriges und unvorteilhaftes Erbe der weit zurückliegenden evolutionären Vergangenheit, weil es schließlich trotz aller scheinbaren Unterschiede unendlich viele Dinge gibt, die alle Menschen gemeinsam haben – jene grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, die Sehnsucht nach Wärme und Vertrauen, der Wunsch, gut zu leben und die Menschen, die man liebt, zu umsorgen. Aber offenbar können viele Menschen nicht davon ablassen, ihre soziale Welt in „wir“ und „sie“ zu unterteilen. Quelle: „Vor dem Denken“ von John Bargh

Von Hans Klumbies

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