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Vielen Menschen ist das Gefühl für die Muße verloren gegangen

Werner Bartens behauptet: „Beschleunigung und Entfremdung gelten als typische Krisensymptome der Moderne.“ Der Soziologe und Zeittheoretiker Hartmut Rosa aus Jena beschreibt anschaulich, was vielen Menschen fehlt. Sie suchen nach sogenannten Resonanzoasen, nach Austausch, der sich nicht nur mit anderen, sondern auch in der Natur, in der Musik oder der Kunst ereignen kann. Längst nicht immer gelingt es den Menschen, genügend Widerhall zu finden. Deshalb fragt Hartmut Rosa, ob die Menschen als schuldige Subjekte, die permanent ein schlechtes Gewissen haben, weil sie zu wenig arbeiten, zu wenig kommunizieren, zu wenig entspannen, und das eine vernachlässigen, während sie das andere nachzuholen versuchen, überhaupt noch so etwas wie Muße kennen.  Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.

Die Zeit ist eine begrenzte Ressource

Harmut Rosa mutmaßt: „Vielleicht könnte man im ländlichen Raum noch diese entspannte, manchmal fast muffig anmutende Selbstgenügsamkeit antreffen.“ Dort mag es Menschen geben, die nicht den Drang verspüren, ständig etwas zu erledigen, vorzubereiten, nachzubesprechen und das wohlige Gefühl des Feierabends kennen. Stimmig scheint für Werner Bartens auf jeden Fall Harmut Rosas Analyse der großen Krisen zu sein, egal ob es sich dabei um ökonomische, ökologische, politische oder kommunikative handelt.

Vor einer großen Krise kommt es demnach zuvor immer zur Desynchronisation, das heißt, eine Entwicklung verläuft schneller als die andere, und der Mensch bleibt zurück, fühlt sich überholt und überfordert. Werner Bartens konkretisiert: „Da sich nicht nur Technik, Arbeitswelt und Kommunikation beschleunigen und verdichten, aber Zeit nun mal eine begrenzte Ressource ist und sich nicht steigern lässt, kommt das überforderte Ich irgendwann nicht mehr mit. Nicht mit sich – und erst recht nicht mit den anderen.“

Überforderung führt zu seelischen und körperlichen Krankheiten

Da viele Menschen kaum noch Zeit für sich selbst und ständig das Gefühl haben, ihren eigenen Ansprüchen und Verpflichtungen hinterherzurennen, nehmen sie sich erst recht weniger Zeit für andere, und das Mitgefühl bleibt auf der Strecke. Deshalb werden die Momente seltener, in denen Zeit und Muße vorhanden ist, um richtig zuzuhören oder auch nur beieinanderzusitzen und sich ohne Worte zu verstehen. Dass nach der Logik der Eskalation des Schneller-höher-weiter im Beruf und manchmal auch im Privatleben abgehängt wird, wer zu langsam ist oder zu sperrig, spüren viele Menschen schon länger auf schmerzhafte Weise.

Zunächst gibt es bei ihnen noch den Versuch das Lebenstempo zu beschleunigen und sich den rasenden Stillstand schönzureden. Aber dann geht bald gar nichts mehr, sondern da ist laut Werner Bartens nur noch: „Innerer Stillstand, fehlende Schwingungsfähigkeit, Entfremdung.“ Es gibt mehrere Bezeichnungen für diesen Zustand: Burn-out, Depression, zynische Weltbeziehung oder Verstummen aller Resonanzebenen. Harald Gündel, Chef der Psychosomatik an der Universitätsklinik Ulm, betont: „Das Erlebnis von Ausgrenzung, Hilflosigkeit oder Überforderung hat enorme Auswirkungen auf die körperliche wie seelische Gesundheit.“ Quelle: „Empathie“ von Werner Bartens

Von Hans Klumbies

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