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In der Pubertät ist das Gehirn im Ausnahmezustand

Wenn Kinder für ihre Eltern auf einmal ein Rätsel sind, hat die Lebensphase der Pubertät begonnen. Das Interesse für die Schule lässt oftmals rapide nach. Wichtig ist nur noch, was die Clique macht: Zigaretten rauchen, Alkohol trinken oder die Haare färben. Mütter und Väter stehen vor geschlossenen Kinderzimmertüren und grübeln darüber nach, was sich wohl gerade im Kopf des Nachwuchses abspielt. Diese Frage stellen sich auch Neuronenwissenschaftler. Um Antworten zu finden, schauen sie Jugendlichen mit modernen bildgebenden Verfahren tatsächlich ins Gehirn. Für die Forschung ist die Pubertät höchst spannend. Nicht wegen der körperlichen Entwicklungen, die Teenager durchlaufen, sondern wegen der psychosozialen Veränderungen. Hinter der Stirn von Pubertierenden findet ein riesiges Umbauprojekt statt. Das Gehirn formiert sich neu – in zeitversetzten Bauphasen.

Jugendliche interessiert oft der Schulunterricht nicht

Die Neuropsychologie-Professorin Kerstin Konrad, die an der Uniklinik Aachen bereits die Gehirne von Hunderten Jugendlichen analysiert hat, erklärt: „Das limbische System, das für die Verarbeitung von Emotionen, Impulsen und Bewegungen zuständig ist, reift schneller. Das Vorderhirn ist erst zum Schluss fertig.“ Doch gerade das Vorderhirn ist für das Zusammenspiel der anderen Areale im Gehirn sehr wichtig. Es ist sozusagen die Kommandozentrale. Es regelt emotionale Prozesse, kann Vorsicht und Vernunft einschalten, planen und entscheiden.

Kerstin Konrad erläutert: „Das Ungleichgewicht in der Hirnentwicklung begünstigt das typische Pubertätsverhalten: sehr risikoreich, an sofortiger Belohnung interessiert, wenig die langfristigen Folgen abschätzend.“ Solange das Vorderhirn nicht ausgereift ist, haben Gefühle die Oberhand. Die Neuropsychologin stellt fest: „Deswegen interessiert Jugendliche auch oft der Schulunterricht nicht.“ Teenager seien aber durchaus aufnahmefähig, ihr Gehirn sei sogar besonders sensibel für Lernerfahrungen.

In der Pubertät wird im Gehirn mehr Dopamin ausgeschüttet

Nicht nur die einzelnen Bauteile des Gehirns verändern sich in der Pubertät, sondern auch die bereits in der Kindheit ausgebildeten Verbindungen der Nervenfasern. Überflüssige Verbindungen verschwinden im Oberstübchen. Übrig bleiben nur diejenigen, die am meisten gebraucht werden. So bildet sich ein hocheffizientes Netzwerk mit Hochgeschwindigkeitsbahnen. Damit werden die Jugendlicher schneller und flexibler im Denken. Moderne Bildgebungsverfahren ermöglichen Wissenschaftler, diese Entwicklung noch besser zu verstehen.

Der Heidelberger Kinder- und Jugendpsychiater Professor Romuald Brunner erklärt: „Früher konnte man die Nervenfaserverbindungen nur ganz grob sehen, jetzt geht das sehr genau bis auf Millimeter.“ Auch der Stoffwechsel von Hormonen und Botenstoffen ändert sich während der Pubertät stark. Beispielsweise wird im Gehirn mehr Dopamin ausgeschüttet. Der Botenstoff, der anregend wirkt, verstärkt wahrscheinlich die Freude am schnellen Kick. Für diesen Kick braucht es in der Jugend oft die Anerkennung durch Freunde, durch die sogenannte Peergroup. Viele Wissenschaftler glauben, dass sich mit den Erkenntnissen aus der Gehirnforschung künftig seelische Leiden effektiver behandelt werden können. Quelle: Apotheken Umschau

Von Hans Klumbies

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