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Der Eros will die Geliebte und das Zusammensein mit ihr

Es ist das eigentlich Schlimme und Unmenschliche an dem vom Eros abgetrennten Sexkonsum, dass er genau das vereitelt, was den Sinn der Liebesbegegnung im Ganzen des Daseins gerade ausmacht: das Hinaustreten aus der eigenen Begrenzung und Ichhaftigkeit durch das Einswerden mit einer anderen Person. Für Josef Pieper, einem deutschen Philosophen, der von 1904 bis 1997 lebte, ist es der Eros, der die Geliebte will und das Zusammensein mit ihr. Sex hingegen sucht ein Neutrum, etwas Sachhaftes und Dingliches, nicht ein Du, sondern ein Es. Die bloße Sexbegegnung trägt also zu Recht einen trügerischen Charakter. Josef Pieper beschreibt diesen so: „Für den Augenblick kommt zwar eine Illusion von Einswerdung zustande; aber ohne Liebe lässt diese scheinbare Vereinigung zwei einander Fremde noch weiter voneinander entfernt zurück, als sie es vorher schon waren.“

Kostenloses verliert an Wert und Reiz

So ist es für Josef Pieper nicht sonderlich verwunderlich, dass in einer Gesellschaft, welche die Sexualität zur Voraussetzung der Liebe macht und nicht die Liebe zur Bedingung für das Geschenk der körperlichen Vereinigung, paradoxerweise die Geschlechtlichkeit Mann und Frau eher trennt als vereinigt, sie gerade dort allein und einsam lässt, wo sie meinten, sich am sichersten zu finden. Der Überraschungs- beziehungsweise Enttäuschungscharakter steigert sich noch, je mehr der Sexkonsum eine jederzeit verfügbare Sache wird.

Alles, was die geschlechtliche Begegnung leicht macht, fördert zugleich ihren Absturz in die Belanglosigkeit. Für Josef Pieper ist das im Grunde nicht überraschend, sondern geradezu ein ehernes Gesetz: „Was bei Bedarf beinahe kostenlos zu haben ist, all das verliert nicht nur mit Notwendigkeit seinen Wert, sondern seinen Reiz obendrein.“ Man kann im gleichen Atem mit dem belangloswerden einer leicht gemachten Sexualität auch vor deren nahezu zwanghaftem Charakter sprechen.

Nur die wirkliche Liebe überwindet die Einsamkeit

In einer grau gewordenen Welt einer durch immer totalere Arbeitseinspannung bestimmten Gesellschaft scheint der Sex der einzig noch verbliebene grüne Fleck zu sein. Für David Riesman (amerikanischer Soziologe) ist „sex the last frontier“, das heißt der letzte, äußerstenfalls noch zugängliche Bereich von Abenteuer, freiem Wagnis und nicht-reglementiertem Leben. Der wirklich grüne Fleck inmitten der den Menschen immer gründlicher beanspruchenden Arbeitswelt ist für Josef Pieper einzig und allein die Liebe, der Eros, die selbstvergessen entzückte Bejahung der Geliebten.

Das eigentlich Gesuchte ist nämlich menschliche Nähe, Überwindung der Einsamkeit, Einswerdung mit einem anderen personalen Wesen. All dies ist nur in der wirklichen Liebe zu haben. Der Eros ist für Josef Pieper das Element im Menschen, welches sich einer Assimilation durch das technische System am stärksten widersetzt. Wohingegen der abgetrennte Sex, als Konsumgut, als Ware, fugenlos in die große Brauchbarkeitsorganisation eingesetzt und verplant werden kann – wie das in bedeutenden dichterischen Zukunftsvisionen, etwa in Aldous Huxleys „Brave New World“ überzeugend geschildert ist. Quelle: „Über die Liebe“ von Josef Pieper

Von Hans Klumbies

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